Es war an einem Freitagabend. Ich hatte noch keine Lust zu schlafen und lag fernsehend im Bett, obwohl nichts wirklich mein Interesse weckte. Bis ich schließlich den National Geographic Channel einstellte und mitten in einer Dokumentation über ein entführtes Flugzeug landete. Eigentlich bin ich nie so begeistert von dieser Art angsteinjagenden und übertriebenen Sensationsgeschichten. Trotzdem wurde meine Andacht gefesselt und zwar durch eine Bemerkung über Rettungswesten.
In meinem Leben bin ich schon oft in einem Flugzeug gesessen. Auf jedem Flug werden, kurz vor dem Aufsteigen, die Sicherheitsvorkehrungen deutlich erklärt: Wo die Notausgänge sind, was man tun muss wenn der Druck wegfällt und wie man eine Rettungsweste anlegen muss. Diese Texte habe ich mittlerweile so oft gehört, dass ich sie regelrecht auswendig kann. Es gab allerdings einen Satz der mich immer schon faszinierte und der hielt Verband mit den Rettungswesten: „Do not inflate your life jacket inside the cabin.“
Warum? Hierauf wollte ich schon immer Antwort haben. Und jetzt, während dieser Dokumentation, würde ich sie endlich bekommen. Genau darum haarte ich vor dem Fernseher aus.
Entführung
Es ging um ein äthiopisches Flugzeug, das durch unbekannte Männer entführt und gezwungen wurde nach Australien zu fliegen. Die Maschine hatte nicht genug Kerosine an Bord, aber die Entführer wollten nicht nachgeben. Und so kam es, dass das Flugzeug ohne Brandstoff über dem Indischen Ozean endete. Der Pilot bereitete die Insassen auf eine Wassernotlandung vor. Er sprach zu den Menschen, wovon die meisten mittlerweile in Panik ausgebrochen waren: „Please put your life jacket on, it is located under your seat.“ Einige Menschen schrien, und jeder begann wie verrueckt an seiner Rettungsweste zu zerren und diese anzulegen. Dabei ging es natürlich ziemlich lautstark zu. Der Pilot fuhr fort: „Do not inflate your life jacket. I repeat,: put on your life jacket but do not inflate.“
Im selben Moment zog einer nach dem anderen an dem Tau, das an jeder Schwimmweste befestigt war, um diese aufzublasen. „ Nein, nicht aufblasen!’ riefen diejenigen noch, die wussten, dass genau das Gegenteil gefragt wurde,
Notlandung
Dann erfolgte die Notlandung. Der Pilot hatte sein Flugzeug bis kurz vor die Küste der Kommoren manövriert (eine Notlandung an Land war unmöglich). Eine Touristin an Land filmte die Notlandung (einen Film davon kannst du hier besichtigen, den Bericht von CNN mit Karte findest du hier).
Letztendlich sind von den 175 Passagieren 127 Menschen umgekommen (inklusive den Entführern). Es wären viel weniger Opfer gefallen, wenn die Menschen ihre Rettungswesten nicht in der Kabine aufgeblasen hätten. Warum? Weil ein Flugzeug direkt untergeht. Die Kabine strömt rasendschnell voll Wasser und es ist sehr wahrscheinlich, dass man sein Richtungsgefühl verliert. Die Maschine schlingert und dreht. Wo ist der Ausgang? Die Möglichkeit dass der Weg aus der Kabine nicht oben sondern auf der Seite oder unten ist, ist sehr groß.
Was passiert jedoch wenn die Rettungsweste voll Luft ist? Genau, man treibt nach oben. Man hat dann nicht die Kraft zurück nach unten zu schwimmen oder wo auch immer der Ausgang ist. Und darum ist es dermaßen wichtig, die Rettungsweste erst aufzublasen, wenn man die Kabine verlassen hat.
Warum schreibe ich jetzt dieses Stück und warum steht es auf dieser Website? Der Kommentator der Dokumentation sagte: „ Bis heute weiß man noch nicht, warum so viele Menschen die Worte des Piloten ignoriert hatten und ihre Rettungswesten gegen seinen Rat aufbliesen.“
Ich weiß es sehr wohl.
Negativ
Es hat mit einem der Gesetze zu tun, die bestimmen wie unser Gehirn Sprache interpretiert. Unser Gehirn hat Mühe, ein Kommando in dem eine Verneinung verarbeitet ist (nicht, niemals, nirgendwo, niemand), zu erkennen und auszuführen. Das ist auch der Grund warum Affirmationen immer auf eine positive Manier ausgedrückt werden. Denke jetzt nicht, ich meine echt absolut nicht, an einen rosa Elefanten. Merkst du, wie schwierig es ist ein negatives Kommando zu befolgen?
Und genau das passierte während der Notlandung des Flugzeuges. Menschen waren in Panik, es wurde geschrieen und überall herrschte Tumult. Was hörten sie in dieser Situation? „Lifejacket – under seat – inflate.“
Gerade in einem Moment, in dem Stress vorherrscht, ist es wichtig keine Verneinungen zu verwenden. Menschen registrieren sie einfach nicht. Gerade dann ist es notwendig alles in positiven Wendungen auszudrücken. In unserem Beispiel wäre das eventuell: „Only inflate outside the cabin“, am besten mehrere Male wiederholt.
Ich hoffe, dass Flugzeuggesellschaften sich besinnen in Bezug auf ihren Sprachgebrauch. Sie müssen nur eine Kleinigkeit verändern, nämlich den Standardwarnsatz „do not inflate your life jacket inside the cabin.“ Und könnten damit viele Leben retten, während dieser Art von Notfällen.
"Inflate your life jacket outside the cabin only"
Liebe Grüsse,
Edith
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